Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on: Der ver­bor­ge­ne Kar­rie­re­wech­sel

Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on: Der ver­bor­ge­ne Kar­rie­re­wech­sel

Net­work-Mar­ke­ting wird oft als der per­fek­te Kar­rie­re­weg für finan­zi­el­le Frei­heit bewor­ben. Die Bran­che lebt von Erfolgs­ge­schich­ten, in denen Men­schen schein­bar von heu­te auf mor­gen wohl­ha­bend wer­den. Doch wer sich tie­fer mit Net­work-Mar­ke­ting beschäf­tigt, erkennt ein wie­der­keh­ren­des Mus­ter: Vie­le, die als Ver­trieb­ler gestar­tet sind, wech­seln irgend­wann ihre Rol­le. Sie wer­den Coa­ches, Autoren oder Pod­cas­ter.

Die­se Ent­wick­lung ist kein Zufall. Sie ist ein direk­ter Effekt der Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on – einem Sys­tem, das mehr auf Nar­ra­ti­ven als auf belast­ba­ren Zah­len beruht. Wäh­rend nach außen hin der Ein­druck eines durch­schla­gen­den Erfolgs ver­mit­telt wird, sind hin­ter den Kulis­sen ganz ande­re Fak­to­ren dafür ver­ant­wort­lich, dass Per­so­nen aus Net­work-Mar­ke­ting plötz­lich eine neue Kar­rie­re ein­schla­gen. Dabei las­sen sich drei Haupt­strö­me beob­ach­ten:

  • Die­je­ni­gen, die früh die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on durch­schau­en und sich neu ori­en­tie­ren
  • Die Top­lea­der, die lang­fris­tig ihre Mar­ke über das ursprüng­li­che Geschäfts­mo­dell hin­aus auf­bau­en
  • Die­je­ni­gen, die meh­re­re Ein­kom­mens­strö­me haben, aber ihren angeb­li­chen Net­work-Mar­ke­ting-Erfolg schwer nach­voll­zieh­bar machen

Wer genau­er hin­schaut, erkennt, dass es in Net­work-Mar­ke­ting sel­ten um das eigent­li­che Geschäfts­mo­dell geht, son­dern um die geziel­te Schaf­fung von per­sön­li­chen Mar­ken. Erfolg ent­steht nicht durch Pro­dukt­ver­kauf, son­dern durch stra­te­gi­sche Neu­po­si­tio­nie­rung.

Der frü­he Wech­sel – Wenn Ver­trieb­ler die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on durch­schau­en

Vie­le Men­schen stei­gen nach einem über­zeu­gen­den Vor­trag oder einer begeis­ter­ten Emp­feh­lung ins Net­work-Mar­ke­ting ein. Die ers­ten Wochen sind geprägt von gro­ßen Erwar­tun­gen, denn es gibt Erfolgs­ge­schich­ten, die ver­spre­chen, dass mit den rich­ti­gen Tech­ni­ken jeder finan­zi­ell unab­hän­gig wer­den kann. Doch je län­ger sich neue Teil­neh­mer mit dem Geschäfts­mo­dell beschäf­ti­gen, des­to deut­li­cher wird, dass die Rea­li­tät nicht mit den anfäng­li­chen Ver­spre­chun­gen über­ein­stimmt.

Eine typi­sche Kar­rie­re, die die­ses Mus­ter zeigt, ist die Geschich­te einer jun­gen Mut­ter, die nach der Geburt in Net­work-Mar­ke­ting ein­stieg. Anfangs war es eine fle­xi­ble Mög­lich­keit, neben­bei Geld zu ver­die­nen. Doch aus dem Neben­job wur­de eine Voll­zeit­kar­rie­re. Nach eini­gen Jah­ren änder­te sich die Posi­tio­nie­rung: Statt selbst Pro­duk­te zu ver­kau­fen, hilft sie nun ande­ren Ver­trieb­lern dabei, neue Team­mit­glie­der zu gewin­nen – mit Work­shops, die ver­spre­chen, „70 Team-Part­ner in zwei Mona­ten ein­zu­schrei­ben“.

Hier zeigt sich ein klas­si­sches Pro­blem der Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on: Statt har­te Zah­len zu lie­fern, wer­den Erfolgs­ge­schich­ten und emo­tio­na­le Moti­va­ti­on genutzt, um die Mecha­nis­men des Geschäfts­mo­dells wei­ter­zu­trei­ben. Doch wer hin­ter die Kulis­sen schaut, stellt sich die Fra­ge: Ist es rea­lis­tisch, dass jeder mit die­sem Sys­tem dau­er­haft erfolg­reich wird?

Vie­le Ver­trieb­ler erken­nen nach eini­ger Zeit, dass ihre Ein­künf­te nicht mit den ver­spro­che­nen Ergeb­nis­sen über­ein­stim­men. Die monat­li­chen Ein­nah­men sind oft schwan­kend, und die Kos­ten für Eigen­käu­fe, Semi­na­re und Wer­be­ma­te­ria­li­en über­stei­gen die Gewin­ne. Gleich­zei­tig wird klar, dass Pro­dukt­ver­käu­fe nur einen klei­nen Teil der Ein­künf­te aus­ma­chen – das ech­te Geld liegt in der Rekru­tie­rung neu­er Mit­glie­der.

Die­je­ni­gen, die die­se Mus­ter erken­nen, suchen nach einer neu­en Rich­tung. Eini­ge star­ten Blogs oder Pod­casts, in denen sie ihre Erfah­run­gen ana­ly­sie­ren. Ande­re kon­zen­trie­ren sich auf Per­so­nal Bran­ding und nut­zen ihre Social-Media-Prä­senz, um sich als Busi­ness-Coach oder Erfolgs­men­tor zu posi­tio­nie­ren.

Die ent­schei­den­de Ver­än­de­rung besteht dar­in, dass sich die Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­la­gert: Statt Net­work-Mar­ke­ting als Geschäfts­mo­dell zu bewer­ben, geht es nun dar­um, wie man „sein eige­nes Busi­ness auf­bau­en kann“ oder „die rich­ti­ge Erfolgs­stra­te­gie fin­det“. Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on bleibt bestehen – sie wird nur in eine neue Form gebracht.

Der spä­te Wech­sel – Wenn Top­lea­der die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on stra­te­gisch nut­zen

Wäh­rend eini­ge Ver­trieb­ler früh aus­stei­gen, gibt es jene, die sich in Net­work-Mar­ke­ting eine star­ke Posi­ti­on erar­bei­tet haben. Sie sind Top­lea­der in ihrer Orga­ni­sa­ti­on, tre­ten auf gro­ßen Events auf und prä­sen­tie­ren ihre Erfolgs­ge­schich­te als Beweis dafür, dass Net­work-Mar­ke­ting funk­tio­niert. Doch wer genau­er hin­sieht, erkennt, dass sich auch bei die­sen Per­so­nen irgend­wann eine Ver­än­de­rung voll­zieht.

Ein bekann­tes Mus­ter ist die Kar­rie­re eines Net­wor­kers, der vor über zwölf Jah­ren mit Net­work-Mar­ke­ting begann. Zunächst bau­te er sei­ne Down­line auf, inte­grier­te Fami­lie und Freun­de ins Sys­tem und hielt Vor­trä­ge über finan­zi­el­le Frei­heit. Doch mit der Zeit änder­te sich das Geschäfts­mo­dell. Heu­te hat er einen eige­nen Pod­cast, ein Buch geschrie­ben und ist als Spea­k­er buch­bar.

Hier zeigt sich ein klas­si­scher Mecha­nis­mus der Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on: Nach außen hin bleibt die Erfolgs­ge­schich­te bestehen, doch die Ein­kom­mens­quel­len wer­den immer undurch­sich­ti­ger. Für Außen­ste­hen­de ist kaum erkenn­bar, wo das Geld tat­säch­lich her­kommt – ob aus Net­work-Mar­ke­ting, Coa­ching, Buch­ver­käu­fen oder Auf­trit­ten als Spea­k­er.

Die Moti­va­ti­on hin­ter die­ser Stra­te­gie ist klar: Wer ein­mal als erfolg­rei­cher Net­wor­ker posi­tio­niert wur­de, kann die­se Reich­wei­te nut­zen, um neue Geschäfts­fel­der zu erschlie­ßen. Dabei muss nicht mehr aktiv im Net­work-Mar­ke­ting-Geschäft gear­bei­tet wer­den – statt­des­sen wer­den all­ge­mei­ne Erfolgs­stra­te­gien ver­mit­telt, die sich auf Unter­neh­mer­tum oder Mind­set-Coa­ching bezie­hen.

Die­ser Wan­del geschieht oft schritt­wei­se. Anfangs steht noch Net­work-Mar­ke­ting im Mit­tel­punkt. Doch nach und nach ver­la­gert sich die Kom­mu­ni­ka­ti­on: Statt über kon­kre­te Net­work-Mar­ke­ting-Tech­ni­ken zu spre­chen, geht es um „Erfolgs­me­tho­den“ und „Mind­set-Arbeit“. Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on wird gewahrt, aber die tat­säch­li­che Tätig­keit hat sich längst ver­än­dert.

Der ver­schwom­me­ne Erfolg – Wenn Ein­kom­mens­strö­me die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on ver­stär­ken

Ein wei­te­res Mus­ter zeigt sich bei Net­wor­kern, die meh­re­re Ein­kom­mens­quel­len haben. Sie prä­sen­tie­ren sich als erfolg­rei­che Net­work-Mar­ke­ting-Ver­trieb­ler, doch tat­säch­lich stammt ihr Ein­kom­men aus unter­schied­li­chen Berei­chen – oft aus Coa­ching, Buch­ver­käu­fen oder digi­ta­len Pro­duk­ten.

Nach außen wirkt es, als sei ihr Reich­tum durch Net­work-Mar­ke­ting ent­stan­den. Doch wer genau­er hin­sieht, erkennt, dass die ver­schie­de­nen Ein­kom­mens­strö­me bewusst ver­mischt wer­den. Für Außen­ste­hen­de ist schwer nach­voll­zieh­bar, was tat­säch­lich durch Net­work-Mar­ke­ting ver­dient wird und wel­che Ein­nah­men aus ande­ren Geschäfts­mo­del­len stam­men.

Die­ses Mus­ter ist beson­ders pro­ble­ma­tisch, weil es neue Teil­neh­mer täuscht. Die dar­ge­stell­ten Erfolgs­ge­schich­ten machen den Ein­druck, als sei Net­work-Mar­ke­ting ein siche­rer Weg zu Wohl­stand, obwohl das wah­re Ein­kom­men oft aus völ­lig ande­ren Quel­len kommt.

Die Ver­mi­schung von Ein­nah­me­strö­men ist eine Stra­te­gie, die die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on auf­recht­erhält. Wer meh­re­re Geschäfts­fel­der betreibt, kann behaup­ten, Net­work-Mar­ke­ting sei pro­fi­ta­bel – ohne jedoch auf­zu­zei­gen, dass die Haupt­ein­nah­men in Wirk­lich­keit aus Coa­ching, Spea­king oder digi­ta­len Pro­duk­ten stam­men.

Durch die­se Metho­de bleibt die Illu­si­on bestehen, dass Net­work-Mar­ke­ting eine ein­fa­che und lukra­ti­ve Mög­lich­keit ist, finan­zi­el­le Frei­heit zu erlan­gen. Doch wer genau nach­fragt, erhält sel­ten eine kla­re Ant­wort dar­über, wo das Geld tat­säch­lich her­kommt.

Die Psy­cho­lo­gie hin­ter der Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on – War­um die Täu­schung wei­ter­geht

Es gibt eine tie­fe­re, psy­cho­lo­gi­sche Kom­po­nen­te hin­ter der Tat­sa­che, dass vie­le ehe­ma­li­ge Net­wor­ker wei­ter­hin Erfolg ver­kau­fen, obwohl sie längst ver­stan­den haben müss­ten, dass das Geschäfts­mo­dell nicht nach­hal­tig ist. Anstatt offen zuzu­ge­ben, dass die ver­spro­che­nen Ein­kom­mens­mög­lich­kei­ten für die meis­ten Teil­neh­mer nicht erreich­bar sind, wech­seln sie ihre Stra­te­gie: Sie posi­tio­nie­ren sich als Men­to­ren, die „den Schlüs­sel zum Erfolg“ besit­zen – wäh­rend sie selbst schon lan­ge nicht mehr vom eigent­li­chen Net­work-Mar­ke­ting-Sys­tem abhän­gig sind.

Ein zen­tra­ler psy­cho­lo­gi­scher Mecha­nis­mus dahin­ter ist die soge­nann­te kogni­ti­ve Dis­so­nanz – das unan­ge­neh­me Gefühl, das ent­steht, wenn Men­schen Erkennt­nis­se gewin­nen, die ihrer bis­he­ri­gen Über­zeu­gung wider­spre­chen. Jemand, der jah­re­lang Net­work-Mar­ke­ting als sei­nen Weg zum Erfolg dar­ge­stellt hat, kann nicht ein­fach zuge­ben, dass er sich getäuscht hat. Das wür­de nicht nur das eige­ne Selbst­bild zer­stö­ren, son­dern auch die Auto­ri­tät, die er in der Bran­che auf­ge­baut hat.

Um die­se inne­re Dis­so­nanz zu lösen, gibt es zwei Haupt­stra­te­gien: Ent­we­der müss­te sich die Per­son ein­ge­ste­hen, dass das Geschäfts­mo­dell nicht funk­tio­niert – oder sie muss die Erzäh­lung ver­än­dern, sodass sie wei­ter­hin glaub­wür­dig erscheint. Die meis­ten ent­schei­den sich für Letz­te­res. Anstatt Net­work-Mar­ke­ting direkt zu ver­mark­ten, wird der Fokus auf Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung, Mind­set-Coa­ching oder all­ge­mei­ne Erfolgs­prin­zi­pi­en ver­la­gert.

Hier kommt der Sunk-Cost-Effekt ins Spiel. Wer viel Zeit, Geld und Ener­gie in eine Sache inves­tiert hat, ten­diert dazu, sie wei­ter zu ver­tei­di­gen – selbst wenn alle ratio­na­len Grün­de dage­gen­spre­chen. Vie­le hoch­ran­gi­ge Net­wor­ker haben jah­re­lang ihre gesam­te Iden­ti­tät und ihr öffent­li­ches Image auf Net­work-Mar­ke­ting auf­ge­baut. Sich plötz­lich von die­sem Kon­zept zu distan­zie­ren, wür­de bedeu­ten, die gesam­te bis­he­ri­ge Kar­rie­re infra­ge zu stel­len. Des­halb wird der Trug­schluss wei­ter ver­kauft: „Ich habe es geschafft, also kannst du es auch!“, selbst wenn die dahin­ter­lie­gen­den Zah­len längst zei­gen, dass das Sys­tem nicht ska­lier­bar ist.

Es gibt auch einen sozia­len Aspekt. Wer in Net­work-Mar­ke­ting tätig war, hat oft eine Com­mu­ni­ty auf­ge­baut, in der Erfolg nicht nur als finan­zi­el­ler Gewinn gese­hen wird, son­dern als Teil einer Lebens­phi­lo­so­phie. Men­schen wer­den moti­viert, durch­zu­hal­ten, an sich zu glau­ben, ihren „Mind­set zu ver­än­dern“. Die­se Grup­pen bie­ten eine star­ke sozia­le Bin­dung, und wer sich davon löst, muss oft mit Ableh­nung oder sogar sozia­ler Iso­la­ti­on rech­nen. Das macht es für vie­le schwie­ri­ger, ehr­lich zu sagen: „Die­ses Sys­tem funk­tio­niert nicht wie ver­spro­chen.“

Die per­fi­des­te Kom­po­nen­te hin­ter der Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on ist der Über­gang von „Ich habe Erfolg mit die­sem Geschäft“ zu „Ich ver­kau­fe dir, wie du erfolg­reich wirst“. Wer lan­ge genug in der Bran­che tätig war, merkt irgend­wann, dass sich mehr Geld ver­die­nen lässt, wenn man Wis­sen ver­kauft, statt aktiv am eigent­li­chen Sys­tem teil­zu­neh­men. Statt Net­work-Pro­duk­te zu bewer­ben, wird Coa­ching ver­kauft, statt neue Mit­glie­der zu rekru­tie­ren, wer­den Erfolgs­kur­se ange­bo­ten.

Die­ser psy­cho­lo­gi­sche Mecha­nis­mus zeigt, war­um die Täu­schung fort­ge­führt wird – nicht aus Bos­heit, son­dern aus einem tie­fen Bedürf­nis, das eige­ne Lebens­werk zu recht­fer­ti­gen und sozia­le Aner­ken­nung nicht zu ver­lie­ren. Doch wer sich die Struk­tu­ren genau ansieht, erkennt: Der wah­re Reich­tum im Net­work-Mar­ke­ting kommt nicht aus dem Sys­tem selbst, son­dern aus der Illu­si­on, die dar­um auf­ge­baut wur­de.

Fazit: War­um die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on so gefähr­lich ist – und war­um sie wei­ter ver­kauft wird

Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on basiert nicht nur auf über­trie­be­nen Erfolgs­ge­schich­ten, son­dern auch auf tief ver­wur­zel­ten psy­cho­lo­gi­schen Mecha­nis­men, die ver­hin­dern, dass Teil­neh­mer das Sys­tem hin­ter­fra­gen. Wäh­rend die Bran­che nach außen hin ver­spricht, dass jeder mit der rich­ti­gen Ein­stel­lung finan­zi­ell unab­hän­gig wer­den kann, zeigt die Rea­li­tät ein ande­res Bild.

Vie­le Ver­trieb­ler ste­hen irgend­wann an einem Punkt, an dem sie erken­nen, dass die tat­säch­li­chen Ein­nah­men nicht mit den Erwar­tun­gen über­ein­stim­men. Die ver­spro­che­nen Gewin­ne blei­ben aus, die Kos­ten stei­gen, und die Rekru­tie­rung neu­er Mit­glie­der erweist sich als immer schwie­ri­ger. Doch anstatt sich ein­zu­ge­ste­hen, dass das Geschäfts­mo­dell nicht so funk­tio­niert, wie sie es ursprüng­lich geglaubt haben, set­zen sie ihre Kar­rie­re in einer neu­en Rol­le fort – als Coa­ches, Autoren oder Spea­k­er.

Die­ser Über­gang geschieht nicht zufäl­lig. Er ist eine direk­te Fol­ge der psy­cho­lo­gi­schen Mecha­nis­men, die Net­work-Mar­ke­ting auf­recht­erhal­ten. Beson­ders prä­gend ist die kogni­ti­ve Dis­so­nanz – das unan­ge­neh­me Gefühl, das ent­steht, wenn Men­schen erken­nen, dass ihre bis­he­ri­gen Über­zeu­gun­gen nicht mit der Rea­li­tät über­ein­stim­men. Wer jah­re­lang Net­work-Mar­ke­ting ver­tei­digt hat, kann nicht plötz­lich zuge­ben, dass es nicht funk­tio­niert, ohne sein eige­nes Selbst­bild infra­ge zu stel­len. Die Lösung? Die Erzäh­lung muss sich ändern. Statt Net­work-Mar­ke­ting direkt zu ver­mark­ten, wird der Fokus auf „Erfolgs­tech­ni­ken“, „Mind­set-Arbeit“ oder „Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung“ gelegt.

Hin­zu kommt der Sunk-Cost-Effekt: Wer viel Zeit, Geld und Ener­gie inves­tiert hat, will sich nicht ein­ge­ste­hen, dass es ein Feh­ler war. Je mehr jemand in Net­work-Mar­ke­ting invol­viert war, des­to stär­ker ist der Druck, die Illu­si­on auf­recht­zu­er­hal­ten – nicht nur für ande­re, son­dern auch für sich selbst.

So ent­steht eine per­fi­de Situa­ti­on: Men­schen, die längst erkannt haben, dass die Zah­len nicht stim­men, ver­kau­fen wei­ter­hin Erfolgs­me­tho­den an ande­re. Sie schrei­ben Bücher dar­über, wie man „rich­tig den­ken muss“, hal­ten Vor­trä­ge über „finan­zi­el­le Frei­heit“ und bie­ten Kur­se an, die angeb­lich hel­fen, im Net­work-Mar­ke­ting erfolg­reich zu wer­den. Doch sie wis­sen genau, dass die meis­ten Teil­neh­mer nie­mals die ver­spro­che­nen Gewin­ne erzie­len wer­den.

Die Täu­schung geht wei­ter, weil sie nicht nur finan­zi­ell lukra­tiv ist, son­dern auch sozia­le Aner­ken­nung sichert. Wer ein­mal als „Erfolgs­coach“ eta­bliert ist, hat eine treue Com­mu­ni­ty auf­ge­baut, die sei­ne Inhal­te kon­su­miert und ver­brei­tet. Einen Rück­zie­her zu machen und öffent­lich zu sagen „Ich lag falsch“ ist für vie­le nahe­zu unmög­lich – denn es wür­de nicht nur das eige­ne Geschäft gefähr­den, son­dern auch die kom­plet­te Repu­ta­ti­on zer­stö­ren.

Die Net­work-Mar­ke­ting-Illu­si­on ist des­halb so gefähr­lich, weil sie nicht nur auf fal­schen Ver­spre­chun­gen beruht, son­dern auf einer psy­cho­lo­gi­schen Dyna­mik, die Selbst­täu­schung ver­stärkt. Wer wirk­lich ver­ste­hen will, wie die­ses Sys­tem funk­tio­niert, muss hin­ter die Fas­sa­de bli­cken, sich mit den wirt­schaft­li­chen Mecha­nis­men beschäf­ti­gen und die psy­cho­lo­gi­schen Pro­zes­se erken­nen, die dafür sor­gen, dass selbst die­je­ni­gen, die es längst bes­ser wis­sen müss­ten, wei­ter­hin die Illu­si­on ver­kau­fen.